Sachverhalt:
Die künftige Nutzung des Beethovenplatzes war bereits mehrfach Gegenstand von Beratungen und Beschlüssen. Zur weiteren Entwicklung dieses Bereiches bedarf es einer konkreten Vorgabe durch die Kommunalpolitik – auch vor dem Hintergrund, dass die bisherigen Beschlüsse teilweise widersprüchlich sind.
Im Folgenden soll daher zum besseren Verständnis bzw. zur Bildung einer gemeinsamen Diskussionsgrundlage ein kurzer Sachstand zur Beschluss- und Faktenlage gegeben werden.
Festlegungen im ISEK
Die Stadtverordneten-Versammlung hatte in ihrer Sitzung am 26.06.19 das „Integrierte. städtebauliche Entwicklungskonzept“ (ISEK) beschlossen.
Die Ziele für die Entwicklung und Umgestaltung des Beethovenplatzes gem. Maßnahmenkatalog im Handlungsfeld Wohnen und Wohnumfeld (S. 186) werden wie folgt genannt:
- Innenentwicklung
- Entwicklung des Platzes als Wohnbaufläche
- Einbindung Sozialzentrum AWO
- Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und von Wohnraum für besondere Wohnformen
- Schaffung städtebaulicher Strukturen mit Alleinstellungsmerkmal
- Schaffung von Orten der Begegnung und Bewegung im Alltag
- Biodiversität und mikroklimatische Verbesserungen
Beschluss des Umwelt- und Stadtentwicklungs-Ausschusses am 06.05.2020
- Die Absicht der Behindertenhilfe Bürstadt, in der Stadt Bürstadt einen neuen Standort zu entwickeln, wird begrüßt.
- Als der am besten geeignetste Standort für einen diesbezüglichen Neubau unter Wahrung sowohl der Standort-Anforderungen der bhb als auch der städtebaulichen Ziele der Stadt Bürstadt wird der Turnvater-Jahn-Platz bestimmt.
- Die auf dem Grundstück befindliche Zeder ist zu erhalten.
- Als Verkaufspreis ist der Bodenrichtwert anzusetzen.
- Die Stadtverwaltung wird beauftragt, auf dieser Basis Verhandlungen mit der bhb zu führen.
- Zu gegebener Zeit ist die Aufstellung eines Bebauungsplans einzuleiten.
Beschluss der Stadtverordneten-Versammlung vom 18.11.2020
- Für den Beethovenplatz wird beschlossen, zeitnah eine Bodenuntersuchung in Auftrag zu geben, um eine Teilbebauung – durch die BHB – zu prüfen.
- Für den Beethovenplatz wird beschlossen, die ISEK-Maßnahme aus dem Bereich Wohnen und Wohnumfeld „Entwicklung und Umgestaltung des Beethovenplatzes“ im Rahmen des Förderprogramms „Soziale Stadt“ einzubeziehen.
- Der Antrag auf Initiierung eines Ideenwettbewerbs zur Ausgestaltung einer „Grüne-Mitte-Beethovenplatz“ wird umgesetzt.
Der 3. Punkt des vorgenannten Beschlusses bezieht sich auf einen Antrag der CDU-Fraktion vom 22.10.20 und den diesbezüglichen Beschluss des Umwelt- und Stadtentwicklungs-Ausschusses vom 28.10.20:
- Der Fachausschuss empfiehlt der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bürstadt die Durchführung eines Ideenwettbewerbs „Grüne-Mitte-Beethovenpark“ zur städtebaulichen Umgestaltung des Beethovenplatzes und des benachbarten Turnvater-Jahn-Platzes zu einer innerstädtischen Grünfläche mit der Möglichkeit einer Teilbebauung zur Wohnnutzung.
- Hierzu wird (in Anlehnung an das Exposé zur Entwicklung des Raiffeisenareals am Bahnhof) eine Ausschreibungsmappe mit den relevanten Rahmendaten und Projektzielen (also mit Bezug „Soziale Stadt“) erstellt. Damit werden potenzielle Ideengeber wie etwa Projekt- bzw. Abschlussarbeiten umliegender Hochschulen mit den Studiengängen Stadtplanung oder auch Projektentwickler angefragt.
- Dier hierzu erforderlichen Mittel werden im Haushalt 2021 bereitgestellt.
- Die Ergebnisse dieser Ideensammlung werden unter Mitwirkung der SoPa im zuständigen Fachausschuss präsentiert und in einer eigenen Bürgerversammlung bewertet, diskutiert und weiterentwickelt.
Wohnraumentwicklungs-Konzept
Aktuell wird das beauftragte, sog. „Wohnraumentwicklungskonzept“ (WREK) erarbeitet. Eine Beschlussfassung durch die Gremien ist noch nicht erfolgt.
Im WREK werden u.a. verschiedene Potenzialflächen für den Wohnungsbau ermittelt und bewertet. Diese Bewertung erfolgt unabhängig von den bisherigen oder aktuellen Diskussionen, sondern erfasst lediglich die grundsätzliche Eignung der Flächen, sowohl im städtebaulichen als auch im sozialen Kontext.
Bestandteil des WREK sind in diesem Sinne auch entsprechende Flächen-Steckbriefe zu den einzelnen Potenzialflächen, so auch für den Beethovenplatz. Für den Beethovenplatz werden folgende Aussagen gemacht:
- Insgesamt kann dem Standort aufgrund der festgestellten Lage-qualitäten und der damit einhergehenden breiten Zielgruppen-ansprache eine gute Eignung für die Realisierung wohnbaulicher Projekte attestiert werden.
- Hauptzielgruppe werden insbesondere Senioren sein, welche von der sehr guten Infrastrukturausstattung und der sehr guten ÖPNV-Anbindung im fußläufigen Umfeld profitieren.
- Die Realisierung eines im ISEK Stadt Bürstadt - östliche Kernstadt angedachten Gesundheitshauses dürfte die Attraktivität als Wohnstandort für Ältere nochmal erheblich erhöhen.
- Unter Berücksichtigung dieser breiten Zielgruppenansprache, der Lage und der Größe der Fläche werden demnach sowohl Miet- und Eigentumswohnungen mit ein bis vier Zimmern im Geschosswohnungsbau entlang der Nibelungenstraße als auch Ein- und Zweifamilienhäuser entlang der Bürgermeister-Siegler-Straße empfohlen.
- Während für Mehrfamilienhäuser drei Geschosse zzgl. eines Staffelgeschosses empfohlen werden, sollten sich die Eigenheime im südlichen Bereich an der vorhandenen Bebauungsstruktur orientieren und entsprechend zwei Ge-schosse aufweisen.
- Auch hinsichtlich der Architektur- und Formsprache sollten sich die Eigenheime in die bestehende städtebauliche Situation gut einfügen. Die dichtere Geschossbau-weise im nördlichen Bereich kann hingegen sowohl klassische als auch moderne Grundrisse aufweisen. Alle Wohnungen sollten dabei über einen Freisitz in Form einer Terrasse, eines Balkons oder einer Dachterrasse verfügen. Zudem sollte die Unterbringung von Fahrrädern und PKWs gesichert sein.
- Die Fläche ist aber auch prädestiniert für die Etablierung eines generationenübergreifenden, gemeinschaftlichen und freundlich gestalteten Konzepts, bei dem verschiedene Generationen und Einkommensschichten angesprochen werden. „Junge Alte“, „Hochbetagte“, Familien, Paare und Singles finden ein adäquates Wohnraumangebot (auch zu fairen Preisen) und in gelebter Nachbarschaft.
- Denkbare Angebote wären hier neben konventionellen Wohnungen betreute Wohnangebote, ambulant betreute Wohngemeinschaften, Tagespflege oder die Öffnung für ein gemeinschaftliches Wohnprojekt, wodurch sich die Gemeindeeben-falls positionieren kann. Im Zusammenhang mit der Vorhaltung von Betreuungs- und Pflegeangeboten sind sogenannte Wohn-karrieren möglich, bei denen Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen angesprochen werden.
- Neben der Platzierung von Wohnraumangeboten ist die Schaffung sozialer Einrichtungen am Standort gut möglich. Mit der Ausrichtung auf ein solches Konzept reagiert die Gemeinde explizit auf die diesbezüglichen Bedarfe, zudem bietet sich die Chance, diese Wohnformen in der bevorzugten, integrierten Lage zu errichten.
- Der Standort weist insgesamt keine nennenswerten Restriktionen auf. Im Rahmen einer wohnbaulichen Entwicklung sollte dennoch beachtet werden, dass sich das nähere Standortumfeld durch einen vergleichsweise geringen Durchgrünungsgrad auszeichnet.
- Auch bzw. insbesondere bei der Ansiedlung sozialer Einrichtungen und altersgerechten Wohn- und Pflegeangeboten sollte daher auf die Schaffung entsprechender Grünstrukturen und Freiraumqualitäten geachtet werden.
Entwicklungs-Optionen der Behindertenhilfe Bürstadt
Immer wieder in der Diskussion war ein möglicher Standort für die Behindertenhilfe Bürstadt (bhb). Dies zunächst auf dem Turnvater-Jahn-Platz, nun auf dem Beethovenplatz. Die bhb hat hierbei folgende Flächenanforderungen:
- Ermöglichung unterschiedlicher Lebensmodelle wie beispielsweise Einzelwohnen, Wohnen innerhalb einer kleinen Wohngemeinschaft oder Wohnen in der Wohngruppe auch bei hohem oder sehr hohem Hilfebedarf
- maximal 2-geschossige Bebauung in behindertengerechter Ausführung für 24 Personen, davon ein Platz zur Kurzzeitunterbringung und 10 Plätze für die Gestaltung des Tages (GdT - Tagesbetreuung von Menschen die nicht in den Werkstätten arbeiten können, oder auch für Rentner zur Freizeitgestaltung).
- Wunsch nach Schaffung eines geschützten Bereichs für die Klienten, Idealerweise ein Grundstücksteil in einem vorzugsweise verkehrsberuhigten Bereich abseits der Hauptstraße.
- Grundstück von 2.500 – 2.600 m² (50 Nutzfläche qm pro Bewohner, inkl. Gemeinschaftsräume, Sozialräume, Personalräume, Verkehrswege und Abstellflächen).
Die Festlegung auf die bhb als einen gesetzten Flächennutzer legt mehr oder weniger stark die weiteren Optionen für die Nutzung des Beethovenplatzes fest. Insbesodere der Wunsch der bhb nach einem geschützten und damit räumlich abgegrenzten und nicht zugänglichen Bereich (z.B. im Falle der Unterbringung von Alzheimerkranken unabdingbar) reduziert die weiteren städtischen Optionen, sowohl im Hinblick auf die Lage als auch die Flächengröße. Bei einer Größe von 6.700m² des Beethovenplatzes und einem Flächenwunsch der bhb von 2.600m² wären fast 40% des Platzes bereits beansprucht.
Wegen der prägenden Bedeutung des bhb-Vorhabens für die Zukunft des Beethovenplatzes ist nach Ansicht der Verwaltung zunächst eine Grundsatzentscheidung zu treffen, ob die bhb ein gesetzter Nutzer ist. Ergänzend wäre auch eine Aussage zum Standort auf dem Platz hilfreich – die bhb favorisiert eine Lage an der Bürgermeister-Siegler-Straße und damit im ruhigeren Bereich.
Die diesbezügliche Beschlusslage ist nicht eindeutig, so wird am 18.11.2020 in der Stadtverordneten-Versammlung lediglich beschlossen, eine Bebauung durch die bhb zu prüfen.
Bodenbeschaffenheit
Zwischenzeitlich liegen die Ergebnisse der Kampfmittelerkundung und der Bodenbeprobung vor. Während von einer guten Tragfähigkeit ausgegangen werden kann, liegen die Probleme in der Bodenbelastung, die einen teilweisen Bodenaustausch erfordern, sowie in den gefunden Stellen mit Kampfmittelverdacht.
Solange es sich bei der Nutzung des Beethovenplatzes um eine rein städtische Maßnahme handelt, können die Themen parallel abgearbeitet werden. Sofern ein Grundstücksanteil an die bhb verkauft wird, muss die Klärung der Fragen zumindest für diesen Teil vorab erfolgen, weil ein Käufer immer lastenfrei übernimmt bzw. im Vertrag mögliche Risiken auf den Verkäufer abwälzt.
Das weitere Vorgehen / Vorgaben für die Entwicklung
In den zurückliegenden Beschlüssen ist u.a die Rede davon, einen Ideenwettbewerb auszuloben oder auch Projektarbeiten umliegender Hochschulen mit entsprechender fachlicher Ausrichtung einzubeziehen. Diesbezüglich muss zunächst entschieden werden, ob die Rahmenbedingungen ergebnisoffen formuliert werden oder ob bestimmte planerische Eckpunkte gesetzt werden (z.B. Integration der bhb).
Eine diesbezügliche Diskussion ist schon alleine wegen der teils widersprüchlichen Beschlusslage erforderlich. Während z.B. das ISEK einen klaren baulichem Schwerpunkt hat (Innenverdichtung, bezahlbarer Wohnraum, Schaffung städtebaulicher Strukturen), scheint der Beschluss vom 18.11.20 seinen Fokus auf eine „grüne Mitte“ zu richten. Die Aussagen im WREK sind diesbezüglich eher ausgeglichen.
Sowohl Ideenwettbewerbe als auch Projektarbeiten an Hochschulen sind keine Maßnahmen, die kurzfristig umgesetzt werden können.
- Die Einzelheiten für einen Wettbewerb müssen gut durchdacht und vorbereitet sein (Preisgelder, Wertungs-Gremium, Übereinstimmung mit entsprechenden Vorschriften).
- Der städtebauliche Ideenwettbewerb für die Innenstadt z.B. war mit einem immensen zeitlichen und auch personellen Aufwand verbunden. Es gab ein paar interessante Ansätze, realisiert wurde jedoch keiner, auch nicht in Teilen. Das Ganze endete wegen einer unglücklichen Formulierung im Ausschreibungstext fast mit einer Klage durch einen Teilnehmer.
- Projektarbeiten an Hochschulen müssen eingetaktet werden in den betreffenden Lehrplan, dies bedeutete i.d.R. einen Verzug um mind. 1 Semester.
Nach Ansicht der Verwaltung bedarf es somit der Festlegung von Rahmen-Parametern für die künftige bauliche Entwicklung des Beethovenplatzes sowie einer Klarstellung der aktuellen Beschluss-Lage.
Als Beispiele dieser Rahmenparameter können genannt werden (nicht abschließend):
- Gebäudehöhen (Differenzierungen sind möglich / sinnvoll)
- Art der Nutzung
- Wohnungsformen
- Anteil an betreutem Wohnen
- Grünflächenanteil
- Aussagen zur Parkierung (z.B. Tiefgarage)
An die Gremien mit der Bitte um Beratung und Beschlussfassung.
Frank Lindemann
Leiter des Stadtbauamtes